Das Feuer knistert leise. Ab und zu stieben Funken in die Dunkelheit. Ansonsten herrscht rundherum tiefe Nacht. Vollkommene Ruhe, aber keine Stille. Im nahen Dickicht raschelt es und in der Ferne schreit ein Vogel, während die Sterne reglos am Himmel stehen. Fernab der Zivilisation ist er noch, was er ist: das glitzernde Dach der Erde. Mit ihren Worten schafft es Isabelle Tschugmall, Bilder in den Kopf des Zuhörers zu projizieren und lässt diesen die nächtliche Savanne in Botswana fiktiv erleben.
Die Begeisterung, mit der sie von ihrer Tätigkeit als Safari-Guide im Binnenstaat des südlichen Afrikas erzählt, ist echt. Die 30-Jährige spricht schnell. So, als wolle sie möglichst viele Geschichten in ihre Sätze packen. Abenteuer-Storys verwebt sie gekonnt mit eigenem philosophischen Gedankengut. «Dein Herz ist frei, wenn du den Mut hast, ihm zu folgen», sagt sie und beweist mit ihrer ganz eigenen Geschichte, dass dies keine leeren Worthülsen sind. 2017 verabschiedete sich Isabelle Tschugmall von ihrem behüteten Leben in der Schweiz. «Ich musste etwas machen, das mich aus meiner Komfortzone wirft», erinnert sie sich. Davor arbeitete die Zürcherin rund zehn Jahre im Finanzbereich und studierte dazwischen während acht Monaten in Peking. Und obwohl ihr Aufenthalt in der chinesischen Metropole nichts mit ihrem derzeitigen Leben zu tun hat, gilt er doch als Weichensteller.
Die einzige weisse Frau
«Es war bei einem Treffen mit meinen ehemaligen China- Studienkollegen in Berlin», beginnt Tschugmall zu erzählen und berichtigt: «Also eigentlich beim Warten am Flughafen. Mein Rückflug hatte Verspätung und ich kaufte mir ein Buch mit dem Titel: ‹Frühstück mit Elefanten: Als Rangerin in Afrika›.» Verschlungen hat sie dieses Buch – in nur zwei Tagen. «Mir war sofort klar: Das will ich auch machen.» Nach kurzem, aber intensivem Mailverkehr mit der Buch-Autorin – «sie gab mir Tipps und eine Ortsempfehlung» – buchte Isabelle Tschugmall einen Flug und reiste zum ersten Mal in ihrem Leben nach Afrika, nach Botswana, in ein Ausbildungscamp für angehende Safari- Guides. «Am Ort des Geschehens eingetroffen, realisierte ich: Ich bin die einzige Frau und vor allem die einzige Person mit weisser Hautfarbe. Alle anderen Aspiranten waren Männer und die meisten standen schon vor der Prüfung zum Guide.» Trotz anfänglicher Zweifel liess sich die Schweizerin nicht beirren und stürzte sich in ihr Abenteuer. Die Nächte widmete sie dem Theoriestudium. Zum Stoff gehörten rund 80 Vogelnamen, die restliche Tierwelt und die wichtigsten Sterne. Wurde es hell, stand die praktische Ausbildung auf dem Programm. «Schon am dritten Tag musste ich alleine guiden», erinnert sich Tschugmall. Das sei schlimm gewesen. «Ich hatte ja noch keine Ahnung. Und dann musste ich auch noch dieses riesengrosse Safari-Auto durch den Sand steuern.» Am Abend musste sie weinen. Aber nicht aus Frust, «sondern weil mir klar wurde: Das ist es, das ist das, was ich machen will.» Sie verstand plötzlich die Wichtigkeit des ewigen Kreislaufes und was beispielsweise ein lapidarer Tierkot darin bedeutet. Trotzdem kam sie ins Grübeln und fragte sich: «Du als weisse Schweizerin im afrikanischen Busch … warum fühlst du dich da so wohl? Das macht doch null Sinn. Du kannst doch nicht dein ganzes Leben in der behüteten Schweiz über den Haufen werfen.» Aber genau das tat Isabelle Tschugmall. Zwar kehrte sie nochmals kurz in die Schweiz zurück, «aber eigentlich nur, um meine Wohnung zu kündigen und meine Habseligkeiten zu verschenken». Mittlerweile leitet sie in Afrika zwei Reiseunternehmen für Individual-Safaris. Eines in Botswana und eines in Kapstadt (SA). «Wir setzen dort auf massgeschneiderte Touren und nachhaltigen Tourismus», bekräftigt Tschugmall. Parallel gründete die Powerfrau mit «The Small Village Botswana e. V.» jüngst eine Non-Profit-Organisation mit Verwaltung in der Schweiz, die sich für Frauen und Kinder vor Ort in Botswana engagiert. «Der Haupt- anteil der Zuwendungen wird für die Aus- und Weiterbildung von ambitionierten Unternehmerinnen in Botswana verwendet.» Der Schweiz ganz den Rücken gekehrt hat Isabelle Tschugmall nicht. Alle drei Monate reist sie in ihr Heimatland zurück. Hauptsächlich, um Vorträge zu halten und den Menschen von ihrem wunderbaren Afrika zu erzählen und sie dazu zu ermutigen, ihrem Herzen zu folgen.
Erschienen, Coop Zeitung 10.03.2020